Die Anordnung der Vorerbschaft und Nacherbschaft im Erbrecht
Gemäß § 2100 BGB kann der Erblasser einen Erben (Nacherben) in der Weise bestimmen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer (der Vorerbe) Erbe geworden ist, womit meistens eine Erhaltung der Substanz des Nachlasses für den Nacherben angestrebt wird. Durch diese Regelungsmöglichkeit hat der Erblasser die Möglichkeit, seine Rechtsnachfolge über einen längeren Zeitraum zu bestimmen, wobei er im Rahmen dessen die Vor- und Nacherbfolge mehrfach hintereinander anordnen kann. In zeitlicher Hinsicht löst der Tod des Erblassers zunächst die Vorerbschaft aus, wodurch der 1. Erbfall eintritt, d.h. der Vorerbe Erbe wird. Je nachdem was der Erblasser bestimmt hat, tritt zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt der Nacherbfall (2. Erbfall) ein, wodurch der Nacherbe nunmehr Erbe über den Nachlass des Erblassers wird.
Vor-und Nacherben sind selbst keine Miterben, da sie nacheinander Erben, wobei gemäß § 2139 BGB der Vorerbe mit dem Nacherbfall seine Erbenstellung verliert und den Nachlass des Erblassers gemäß § 2130 BGB an den Nacherben herauszugeben hat. Da der Vorerbe nur Erbe auf Zeit ist bzw. seine Erbenstellung mit dem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis endet, bestehen daher auch keine gesetzlichen Erb- oder gar Pflichtteilsansprüche der Verwandten des Vorerben. Falls der Erblasser keine Bestimmung zum Eintritt des Nacherbfalls trifft, tritt gemäß § 2106 Abs. 1 BGB der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein, wobei gemäß § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB die Nacherbeneinsetzung regelmäßig nach Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam wird. Wenn der Vorerbe im Zeitpunkt des Erbfalls bereits (vor-) verstorben ist, gilt im Zweifel der eingesetzte Nacherbe auch als Ersatzerbe (§ 2102 Abs. 1 BGB), was im Ergebnis heißt, dass er Erbe wird, wenn der Vorerbe wegfällt.
Der Nacherbe hat aber auch die Möglichkeit, die Erbschaft gemäß § 2142 Abs. 1 BGB vom Zeitpunkt des Erbfalls an auszuschlagen, wobei die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 erst mit Eintritt des Nacherbfalls beginnt. Durch die Ausschlagung wird gemäß § 2142 Abs. 2 BGB die Nacherbfolge gegenstandslos und verbleibt somit der Nachlass beim Vorerben, soweit der Erblasser nicht ein anderes geregelt hat, was in der Praxis meistens zum Beispiel durch die Einsetzung eines Ersatznacherben durch den Erblasser in seinem Testament erfolgt. Sollte ein Erbschein des Vorerben vorliegen, so ist hierin gemäß § 2363 BGB die Anordnung der Nacherbfolge, der/die Nacherbe/en und sind die Voraussetzungen des Eintritts des Nacherbfalls sowie etwaige vom Erblasser angeordnete Befreiungen von Beschränkungen anzugeben, wobei bei Grundstücken gemäß § 51 GBO die Eintragung eines Nacherbenvermerks von Amts wegen erfolgt.
- Rechte und Pflichten des Vorerben
Der Vorerbe erbt den Nachlass des Erblassers, im Rahmen dessen ihm die Nutzungen hieraus zu stehen. Über den Nachlass (Vorerbmasse) kann der Vorerbe keine Verfügung von Todes wegen treffen, sondern hat vielmehr gemäß § 2130 Abs. 1 BGB die Erbschaft ordnungsgemäß zu verwalten und nach § 2124 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen, wobei er außerordentliche Lasten aus der Erbschaft bestreiten kann (§§ 2126,2124 Abs. 2. BGB). Um etwaigen Streitigkeiten vorzubeugen, sollte der Vorerbe daher die Vorerbmasse von seinem eigenen Vermögen (eigenen Erbmasse) getrennt halten.
Das Gesetz beschränkt die Befugnisse des Vorerben in den §§ 2113 BGB f.f. . Gemäß § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von einigen der Beschränkungen und Verpflichtungen befreien.
Sollte der Vorerbe gegen seine Pflichten verstoßen und zum Beispiel Verfügungen über die Erbschaft getroffen haben oder gar den Nachlass in der Absicht, den Nacherben zu benachteiligen vermindert haben, macht er sich schadensersatzpflichtig oder besteht gegebenenfalls eine Pflicht zum Wertersatz gemäß § 2134 Satz 1 BGB.
- Rechte des Nacherben und dessen Stellung gegenüber dem Vorerben
Mit dem Tod des Erblassers und Eintritt des Vorerbfalls erwirbt der Nacherbe in der Regel ein erbrechtliches Anwartschaftsrecht, nämlich dass er beim Nacherbfall Erbe wird. Sollte der Vorerbe über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück verfügt haben, ist diese Verfügung gemäß § 2113 Abs. 1 BGB mit dem Eintritt der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde, was gemäß § 2113 Abs. 2 BGB auch für unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über Erbschaftsgegenstände gilt, soweit diese nicht einer sittlichen Pflicht oder gar auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht. Falls Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Vorerben in Nachlassgegenstände erfolgen, sind auch diese gemäß § 2115 Satz 1 BGB im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben beeinträchtigen oder gar vereiteln würden, was jedoch nicht gilt, wenn es sich um einen Anspruch eines Nachlassgläubigers oder eine Vollstreckungsmaßnahme aus einem dem Nacherben gegenüber wirksamen Rechts handelt (§ 2115 Satz 2 BGB).
Der Vorerbe hat auf Verlangen des Nacherben gemäß § 2116 BGB Wertpapiere zu hinterlegen, nach § 2121 BGB ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände aufzustellen sowie gemäß § 2127. BGB Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu geben, wobei der Vorerbe verpflichtet ist, Geld, das nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft dauernd anzulegen ist, nachdem für die Anlegung von Mündeldeld geltenden Vorschriften anzulegen (§ 2119 BGB). Gegebenenfalls kann der Nacherbe vom Vorerben Sicherheitsleistung verlangen, wenn Letzterer durch sein Verhalten oder dessen ungünstige Vermögenslage die Besorgnis für eine (zu erwartende) erhebliche Verletzung der Rechte des Nacherben begründet.